Erzählende Bilder
Überlegungen zu den Gemälden von Thomas Klefisch
Von Dr. Kurt-H. Weber
Auch Bilder können Geschichten erzählen, nicht die Bilder, die wir gewöhnlich mit der Vorstellung eines Bildes verbinden. Die zeigen immer nur eine Ansicht, zeigen das, was zu einem bestimmtem Moment von einem festen Standpunkt aus zu sehen ist. Was vorher war, was nachher sein wird, das erscheint nicht auf ihnen; das muss sich der Betrachter hinzudenken, und eine Geschichte spielt sich nur in seinem Kopf ab. Allenfalls Hinweise auf ein Geschehen enthalten die Bilder. Insbesondere für die Genre- und die Historienmalerei war das ein Problem. Der Straßenjunge Murillos wird sich für alle Zeiten eine Weinrebe über den Mund halten, nie wird er in den Genuss einer einzigen Traube kommen; und auf einem zeitgenössischen Schlachtengemälde sitzt Wellington in alle Ewigkeit bei Waterloo auf seinem Pferd und hält Ausschau nach Blücher: Ich wollte, es wäre Nacht oder die Preußen kämen.
Eingezwängt sind diese Darstellungen in eine Bildauffassung, die sich seit der Renaissance durchgesetzt hat. Sie wird noch verstärkt durch die Ansichten, die der fotografische Apparat produziert. Stets wird nur festgehalten, was im Gesichtsfeld eines Betrachters liegt, und auf Prospekten, bei denen das unmöglich der Fall sein kann, wird wenigstens eine Illusion davon erzeugt. Was in Raum und Zeit außerhalb des Blickwinkels liegt, kann nicht auf dem Bild erscheinen, auch nicht die Erinnerungen, auch nicht die Träume und Gedanken, die mit einem Anblick verknüpft sind. Die Darstellung fügt sich einer Ordnung, die vorgegeben wird durch die perspektivische Bildkonzeption. Die Perspektive, genauer: die Zentral- oder Planperspektive ist eine Erfindung der frühen Neuzeit. Ihre kaum zu unterschätzende Leistung beruht darauf, dass sie der Malerei den Raum erschließt, sie gewinnt eine Dimension hinzu, die der Tiefe. Ohne auf die Finessen einzugehen, braucht nur so viel festgehalten zu werden, dass das wiedergegeben wird, was vor einem Betrachter liegt. Die von einem Augenpunkt ausgehenden Sehstrahlen, welche auf die Dinge zulaufen und sich in einem Fluchtpunkt am Horizont treffen, lassen einen gleichförmigen, geometrischen Raum entstehen. Das Gitter von Linien, das sich über die Gegenstände legt, erlaubt es, den Ort eines jeden und ihr Verhältnis zueinander anzugeben. Es entsteht ein geordnetes Vor- Hinter- und Nebeneinander. Entscheidend ist aber, dass die Komposition, aus der Warte eines Betrachters entworfen und auf ihn zugestellt ist.
Dieses Arrangement kommt der Forderung der Renaissance nach Wirklichkeitstreue nach. Ihr hat sich auch die Kunst zu stellen, auch sie ist der Erfahrung verpflichtet. Sie soll erfassen, was sich dem Auge darbietet, und die perspektivische Darstellung will der Dreidimensionalität des Sehens Rechnung tragen. Darin steckt aber ein ästhetischer Imperativ, es wird eine Norm aufgestellt, wie ein Bild angelegt sein muss. Für die weitere Entwicklung muss man wissen, dass die Perspektive keineswegs den Seheindruck widerspiegelt, aus verschiedenen Gründen nicht, unter anderem aus dem, dass sie zur Voraussetzung hat, dass wir mit einem unbewegten Auge sehen und dass der ebene Durchschnitt durch die Sehpyramide eine adäquate Wiedergabe des Wahrnehmungsbildes ist. Wir sehen aber nicht mit einem fixierten, sondern mit zwei beweglichen Augen, wodurch, neben anderen Effekten, das Gesichtsfeld eine sphäroide Gestalt bekommt. Es genügt hier zu konstatieren, dass die Perspektive nicht die natürliche Optik wiedergibt, sie ist etwas Künstliches, sie ist eine geometrische Konstruktion. Ob sie tatsächlich Brunelleschi erfunden hat, lässt sich nicht mit Gewissheit sagen. Jedenfalls haben sie die Maler weit vor ihm angewendet, und erst einige Zeit später, nachweislich bei Alberti, gelingt ihre exakte mathematische Durchführung.
Diese Konzeption hält sich bis ins 19. Jahrhundert. Dann beginnt sich, zum Beispiel bei William Turner, die Meinung durchzusetzen, dass das Bild dem Sehbild entsprechen solle, und der ‚Impressionismus’ geht hervor aus der Reflexion auf das eigene Sehenkönnen. Über die Einzelheiten kann man hier hinweggehen, jedenfalls wurde das ‚geometrische’ Bildmodell durch ein ‚physiologisches’ ersetzt. Daraus resultiert, dass die Bilder flächiger werden und sich einheitliche Farbflächen in Farb- und Lichtflecke auflösen. Bei allen Unterschieden teilen beide Modelle doch eine Grundannahme, nämlich die, dass das Bild aus der Warte eines Betrachters entworfen sein muss, dass es dessen Blick wiedergibt.
Viel wurde dadurch für die künstlerische Erfassung der Welt gewonnen, das soll gar nicht in Abrede gestellt werden, aber ebenso gewiss ist, dass damit auch wieder bestimmte Probleme für die Gestaltung entstanden, und zu den vordringlichsten zählen die, wie man einen zeitlichen Ablauf und wie man verschiedene Aspekte einer Sache malerisch bewältigen kann. Eine Antwort, die radikalere, war die, dass die Kunst die Zeit nicht erfassen könne, ihr Element sei der Raum, und die Darstellung der Sukzession sei Sache der Literatur. Zu dieser Auffassung kam Lessing in seiner Schrift ‚Laokoon’. Und er führt weiter aus, dass das Temporäre auf einem Bild nur in Form des „fruchtbaren Augenblicks“ erscheinen könne. Damit ist der entscheidende Moment gemeint, in dem ein Geschehen kulminiert, in dem es sich gewissermaßen zusammenzieht. In Leonardo da Vincis Skizze der ‚Schlacht von Anghiari’ ist das vorbildlich gelöst. Festgehalten ist der Wendepunkt, der Augenblick, in dem der Kampf entschieden ist, in dem die eine Partei sich zur Flucht anschickt und die andere zu triumphieren beginnt.
Das Mittelalter war da zupackender. Umstandslos vereinigt ein Bild verschiedene Phasen eines Geschehens und nimmt völlig divergierende Ansichten in sich auf. Da sieht man beispielsweise auf ein und demselben Fresko die Flucht nach Ägypten in mehreren Etappen, die einfach nebeneinander gestellt werden. Uns erinnern diese Darstellungen an Bildergeschichten oder Comics, nur dass sie ganz ohne Sprechblasen auskommen. ‚Erzählende Bilder’ hat diese Darstellungen die Kunstgeschichte genannt. Sie kommen uns naiv, vielleicht sogar primitiv vor, aber das hauptsächlich deswegen, weil wir an ganz andere Sehmuster gewöhnt sind. Sie damit abzutun, dass die Künstler unvermögend gewesen seien, die Wirklichkeit richtig zu erfassen, ist aber nicht gerechtfertigt. Denn auch die perspektivische und die physiologische Bildkonzeption geben nicht die alltägliche, die „normale“ Sichtweise wieder. Auch sie sind künstlich, auch sie entsprechen nicht der natürlichen Wahrnehmung und sind Konstruktionen, anders gesagt, auch sie sind kein Abklatsch der Wirklichkeit, sondern eben – Bilder.
Eine bestimmte Bildauffassung eröffnet neue, bis dahin unbekannte Sichtweisen, aber sie engt die Gestaltungsmöglichkeiten auch wieder ein. Und um nun auf die Arbeiten von Thomas Klefisch zu kommen, so geben sie die Standortbezogenheit auf. Sie gewinnen damit eine Dimension zurück, die der Zeit und des Erzählens. Freilich, sie reihen nicht einfach Stadien einer Begebenheit aneinander, wie man das aus den Bildergeschichten kennt. Auf den Tableaus erscheinen unterschiedliche Figuren und Figurationen, die der Betrachter in Beziehung zueinander setzen muss. Dabei kann es sich darum handeln, dass zwei Gestalten nur die verschiedenen Seiten von einer Person verkörpern oder auch darum, dass mit einer Person eine Reihe von Imaginationen verknüpft sind, die sich mit ihr einstellen. Es sind also assoziative Verknüpfungen, die die einzelnen Bildelemente mit einander verbinden, und die singulären Teile gehören zu verschiedenen Zeiten und Räumen. Dadurch, dass sie zueinander in Beziehung gesetzt werden, ergeben sich Abfolgen und Geschichten. Allerdings sind diese zumeist verschlüsselt. Sie entfalten eine besondere Mythologie, wenn man darunter die ins Bildhafte gekehrte, eine Epoche oder nur eine Person beherrschenden Mächte, Leidenschaften, Obsessionen und Gedanken verstehen will. Und Thomas Klefisch hat seine eigene Mythologie entwickelt. Sie macht Anleihen bei verschiedenen Bilderwelten, sie zitiert die Comichefte ebenso wie die Heiligenlegenden. Der Betrachter muss das enträtseln und nicht zuletzt darauf beruht der Reiz dieser Malerei.
Wenn das einzelne Tableau eine Zusammensetzung aus divergierenden Elementen ist, so ist doch verlangt, dass sich daraus eine Einheit ergibt, und das heißt nichts anderes, als dass die Bestandstücke sich zu einem Bild fügen sollen. Wie diese Einheit zu bewerkstelligen ist, darin liegt die formale Herausforderung dieser Bildkonzeption, die sich eben nicht an eine Ordnung halten kann, die der Blick vorgibt. Die Lösung, um das zumindest anzudeuten, findet Thomas Klefisch darin, dass er um eine zentrale Figur andere Gestalten gruppiert. Das ist eine Maßnahme, durch welche der Zusammenhalt des Bildes garantiert wird. Eine andere besteht darin, dass die Farben als verbindende Kraft eingesetzt werden.
Erzählende Bilder – Überlegungen zu den Gemälden von Thomas Klefisch
Von Dr. Kurt-H. Weber
Auch Bilder können Geschichten erzählen, nicht die Bilder, die wir gewöhnlich mit der Vorstellung eines Bildes verbinden. Die zeigen immer nur eine Ansicht, zeigen das, was zu einem bestimmtem Moment von einem festen Standpunkt aus zu sehen ist. Was vorher war, was nachher sein wird, das erscheint nicht auf ihnen; das muss sich der Betrachter hinzudenken, und eine Geschichte spielt sich nur in seinem Kopf ab. Allenfalls Hinweise auf ein Geschehen enthalten die Bilder. Insbesondere für die Genre- und die Historienmalerei war das ein Problem. Der Straßenjunge Murillos wird sich für alle Zeiten eine Weinrebe über den Mund halten, nie wird er in den Genuss einer einzigen Traube kommen; und auf einem zeitgenössischen Schlachtengemälde sitzt Wellington in alle Ewigkeit bei Waterloo auf seinem Pferd und hält Ausschau nach Blücher: Ich wollte, es wäre Nacht oder die Preußen kämen.
Eingezwängt sind diese Darstellungen in eine Bildauffassung, die sich seit der Renaissance durchgesetzt hat. Sie wird noch verstärkt durch die Ansichten, die der fotografische Apparat produziert. Stets wird nur festgehalten, was im Gesichtsfeld eines Betrachters liegt, und auf Prospekten, bei denen das unmöglich der Fall sein kann, wird wenigstens eine Illusion davon erzeugt. Was in Raum und Zeit außerhalb des Blickwinkels liegt, kann nicht auf dem Bild erscheinen, auch nicht die Erinnerungen, auch nicht die Träume und Gedanken, die mit einem Anblick verknüpft sind. Die Darstellung fügt sich einer Ordnung, die vorgegeben wird durch die perspektivische Bildkonzeption. Die Perspektive, genauer: die Zentral- oder Planperspektive ist eine Erfindung der frühen Neuzeit. Ihre kaum zu unterschätzende Leistung beruht darauf, dass sie der Malerei den Raum erschließt, sie gewinnt eine Dimension hinzu, die der Tiefe. Ohne auf die Finessen einzugehen, braucht nur so viel festgehalten zu werden, dass das wiedergegeben wird, was vor einem Betrachter liegt. Die von einem Augenpunkt ausgehenden Sehstrahlen, welche auf die Dinge zulaufen und sich in einem Fluchtpunkt am Horizont treffen, lassen einen gleichförmigen, geometrischen Raum entstehen. Das Gitter von Linien, das sich über die Gegenstände legt, erlaubt es, den Ort eines jeden und ihr Verhältnis zueinander anzugeben. Es entsteht ein geordnetes Vor- Hinter- und Nebeneinander. Entscheidend ist aber, dass die Komposition, aus der Warte eines Betrachters entworfen und auf ihn zugestellt ist.
Dieses Arrangement kommt der Forderung der Renaissance nach Wirklichkeitstreue nach. Ihr hat sich auch die Kunst zu stellen, auch sie ist der Erfahrung verpflichtet. Sie soll erfassen, was sich dem Auge darbietet, und die perspektivische Darstellung will der Dreidimensionalität des Sehens Rechnung tragen. Darin steckt aber ein ästhetischer Imperativ, es wird eine Norm aufgestellt, wie ein Bild angelegt sein muss. Für die weitere Entwicklung muss man wissen, dass die Perspektive keineswegs den Seheindruck widerspiegelt, aus verschiedenen Gründen nicht, unter anderem aus dem, dass sie zur Voraussetzung hat, dass wir mit einem unbewegten Auge sehen und dass der ebene Durchschnitt durch die Sehpyramide eine adäquate Wiedergabe des Wahrnehmungsbildes ist. Wir sehen aber nicht mit einem fixierten, sondern mit zwei beweglichen Augen, wodurch, neben anderen Effekten, das Gesichtsfeld eine sphäroide Gestalt bekommt. Es genügt hier zu konstatieren, dass die Perspektive nicht die natürliche Optik wiedergibt, sie ist etwas Künstliches, sie ist eine geometrische Konstruktion. Ob sie tatsächlich Brunelleschi erfunden hat, lässt sich nicht mit Gewissheit sagen. Jedenfalls haben sie die Maler weit vor ihm angewendet, und erst einige Zeit später, nachweislich bei Alberti, gelingt ihre exakte mathematische Durchführung.
Diese Konzeption hält sich bis ins 19. Jahrhundert. Dann beginnt sich, zum Beispiel bei William Turner, die Meinung durchzusetzen, dass das Bild dem Sehbild entsprechen solle, und der ‚Impressionismus’ geht hervor aus der Reflexion auf das eigene Sehenkönnen. Über die Einzelheiten kann man hier hinweggehen, jedenfalls wurde das ‚geometrische’ Bildmodell durch ein ‚physiologisches’ ersetzt. Daraus resultiert, dass die Bilder flächiger werden und sich einheitliche Farbflächen in Farb- und Lichtflecke auflösen. Bei allen Unterschieden teilen beide Modelle doch eine Grundannahme, nämlich die, dass das Bild aus der Warte eines Betrachters entworfen sein muss, dass es dessen Blick wiedergibt.
Viel wurde dadurch für die künstlerische Erfassung der Welt gewonnen, das soll gar nicht in Abrede gestellt werden, aber ebenso gewiss ist, dass damit auch wieder bestimmte Probleme für die Gestaltung entstanden, und zu den vordringlichsten zählen die, wie man einen zeitlichen Ablauf und wie man verschiedene Aspekte einer Sache malerisch bewältigen kann. Eine Antwort, die radikalere, war die, dass die Kunst die Zeit nicht erfassen könne, ihr Element sei der Raum, und die Darstellung der Sukzession sei Sache der Literatur. Zu dieser Auffassung kam Lessing in seiner Schrift ‚Laokoon’. Und er führt weiter aus, dass das Temporäre auf einem Bild nur in Form des „fruchtbaren Augenblicks“ erscheinen könne. Damit ist der entscheidende Moment gemeint, in dem ein Geschehen kulminiert, in dem es sich gewissermaßen zusammenzieht. In Leonardo da Vincis Skizze der ‚Schlacht von Anghiari’ ist das vorbildlich gelöst. Festgehalten ist der Wendepunkt, der Augenblick, in dem der Kampf entschieden ist, in dem die eine Partei sich zur Flucht anschickt und die andere zu triumphieren beginnt.
Das Mittelalter war da zupackender. Umstandslos vereinigt ein Bild verschiedene Phasen eines Geschehens und nimmt völlig divergierende Ansichten in sich auf. Da sieht man beispielsweise auf ein und demselben Fresko die Flucht nach Ägypten in mehreren Etappen, die einfach nebeneinander gestellt werden. Uns erinnern diese Darstellungen an Bildergeschichten oder Comics, nur dass sie ganz ohne Sprechblasen auskommen. ‚Erzählende Bilder’ hat diese Darstellungen die Kunstgeschichte genannt. Sie kommen uns naiv, vielleicht sogar primitiv vor, aber das hauptsächlich deswegen, weil wir an ganz andere Sehmuster gewöhnt sind. Sie damit abzutun, dass die Künstler unvermögend gewesen seien, die Wirklichkeit richtig zu erfassen, ist aber nicht gerechtfertigt. Denn auch die perspektivische und die physiologische Bildkonzeption geben nicht die alltägliche, die „normale“ Sichtweise wieder. Auch sie sind künstlich, auch sie entsprechen nicht der natürlichen Wahrnehmung und sind Konstruktionen, anders gesagt, auch sie sind kein Abklatsch der Wirklichkeit, sondern eben – Bilder.
Eine bestimmte Bildauffassung eröffnet neue, bis dahin unbekannte Sichtweisen, aber sie engt die Gestaltungsmöglichkeiten auch wieder ein. Und um nun auf die Arbeiten von Thomas Klefisch zu kommen, so geben sie die Standortbezogenheit auf. Sie gewinnen damit eine Dimension zurück, die der Zeit und des Erzählens. Freilich, sie reihen nicht einfach Stadien einer Begebenheit aneinander, wie man das aus den Bildergeschichten kennt. Auf den Tableaus erscheinen unterschiedliche Figuren und Figurationen, die der Betrachter in Beziehung zueinander setzen muss. Dabei kann es sich darum handeln, dass zwei Gestalten nur die verschiedenen Seiten von einer Person verkörpern oder auch darum, dass mit einer Person eine Reihe von Imaginationen verknüpft sind, die sich mit ihr einstellen. Es sind also assoziative Verknüpfungen, die die einzelnen Bildelemente mit einander verbinden, und die singulären Teile gehören zu verschiedenen Zeiten und Räumen. Dadurch, dass sie zueinander in Beziehung gesetzt werden, ergeben sich Abfolgen und Geschichten. Allerdings sind diese zumeist verschlüsselt. Sie entfalten eine besondere Mythologie, wenn man darunter die ins Bildhafte gekehrte, eine Epoche oder nur eine Person beherrschenden Mächte, Leidenschaften, Obsessionen und Gedanken verstehen will. Und Thomas Klefisch hat seine eigene Mythologie entwickelt. Sie macht Anleihen bei verschiedenen Bilderwelten, sie zitiert die Comichefte ebenso wie die Heiligenlegenden. Der Betrachter muss das enträtseln und nicht zuletzt darauf beruht der Reiz dieser Malerei.
Wenn das einzelne Tableau eine Zusammensetzung aus divergierenden Elementen ist, so ist doch verlangt, dass sich daraus eine Einheit ergibt, und das heißt nichts anderes, als dass die Bestandstücke sich zu einem Bild fügen sollen. Wie diese Einheit zu bewerkstelligen ist, darin liegt die formale Herausforderung dieser Bildkonzeption, die sich eben nicht an eine Ordnung halten kann, die der Blick vorgibt. Die Lösung, um das zumindest anzudeuten, findet Thomas Klefisch darin, dass er um eine zentrale Figur andere Gestalten gruppiert. Das ist eine Maßnahme, durch welche der Zusammenhalt des Bildes garantiert wird. Eine andere besteht darin, dass die Farben als verbindende Kraft eingesetzt werden.
Blood
200 x250cm, Acryl auf Leinwand
Jürgen Raap, Babylon
Notizen zu einem Werkzyklus von Thomas Klefisch
Wer auf dem schmalen Brett an der Seite von Thomas Klefischs „Babylon“-Beichtstuhl niederkniet und auf die Absolution hofft, der muss sich auf eine Konstruktion einlassen, die ihm in dieser Körperhaltung auf dem Kniebänkchen ganz bewusst eine spürbare physische Unbequemlichkeit abverlangt. Ohne solch eine rituelle Geste der Demut, die das verbale Bekenntnis der Sünden begleitet, scheint der Gläubige wohl nicht auf das Bußsakrament hoffen zu dürfen. Der Künstler Klefisch hat dieses Skulptur-Gehäuse der Form eines barocken Beichtstuhls nach empfunden. Damit spielt er auf ein Zeitalter an, als das theologische Konzept der Gegenreformation im Anspruch der römischen Kurie kulminierte, auch weiterhin eine Universalkirche zu sein und über die alleinige Deutungshoheit zu verfügen. Die illusionistische Pracht der barocken Kunst unterstrich und illustrierte diesen machtpolitischen Anspruch.
Einer solchen barocken Ästhetik gleicht denn auch die opulente Ausmalung der Außenwände dieses Beichtstuhls mit bildlichen Zitaten aus dem Evangelium des Johannes und aus der Legende über den hl. Sebastian, auch wenn Klefisch diesen Bildkanon kritisch-ironisch unterläuft. Den römischen Hauptmann Sebastian ließ wegen seines Bekenntnisses zum Christentum der Kaiser Diokletian bekanntlich gleich zweimal hinrichten: das erste Mal von Bogenschützen, deren Pfeilschüsse der Delinquent aber überleben konnte, weil die fromme Witwe Irene ihn gesund pflegte; und das zweite Mal, als man ihn dann mit Keulen im Circus brutal erschlug und seinen Leichnam anschließend in die Kloaken Roms warf.
Klefischs Bilder künden recht drastisch von solchen Blutzeugnissen der geschundenen Märtyrer – der hl. Sebastian mit seinen offenen, blutroten Pfeilwunden bzw. das Motiv der Verwundung taucht immer wieder in den Bildern auf. Deren ikonografisches Inventar visualisiert damit das genaue Gegenteil zu den Heiligenbildern in der Malerei des 19. Jh. mit ihren eher verklärenden Zügen. Bei der Wiedergabe der Frau mit den verbundenen Augen, deren Kopf und Arme in eine hölzerne Halszwinge gepresst sind („Freedom“), mag man z.B. an die grausamen Auswüchse der Kirchenstrafen in früheren Jahrhunderten denken, an die hochnotpeinlichen Befragungen der Inquisition und an die Scheiterhaufen für die Hexenverbrennungen.
Dabei ist Thomas Klefisch als Künstler nicht unbedingt ein Moralist. Wo man ihm anti-klerikale Züge unterstellen mag, da hat seine phantastische Malerei doch eher eine größere Nähe zu den geheimnisvollen Erotismen eines Clovis Trouille als zu den aggressiven und gewollt blasphemischen polit-künstlerischen Garstigkeiten eines Blalla W. Hallmann, wenngleich Trouille die katholische Kirche durchaus als eine korrupte und bigotte Einrichtung ansah und aus dieser Einstellung einen erheblichen Teil seiner bildnerischen Inspirationen gewann. Zwangsläufig taucht unter Klefischs Figuren der Lügner Pinocchio mit der langen Nase auf. Die Sicht des Malers auf das Phänomen „Babylon“ ist eine sehr persönliche: Er reflektiert in der Einfügung von Selbstporträts seine eigene Erziehungserfahrung, die ihn in den Kindheitstagen Religiosität eben nicht als eine spirituelle Bereicherung, sondern eher als eine Angelegenheit lediglich äusserlicher gesellschaftlich-familiärer Konventionen erleben ließ. Auch andere biografische Momente fließen in diese Bildwelt ein.
Thomas Klefischs Madonna lässt nicht wie sonst die Züge einer entrückten Seligkeit erkennen, sondern stattdessen unverhohlen eine erotische Ausstrahlung. Und mit solch einer Pointierung stellt der Künstler ein Vorstellungsgebäude auf den Kopf, das von der katholischen Marienverehrung weit zurückreicht bis in die hellenistisch-jüdische Philosophie in der Epoche der Zeitenwende.
Anfang der 1990er Jahre hatte sich der Theologe Eugen Drewermann dem Verdacht der Häresie ausgesetzt mit seiner Äusserung, die biblische Schilderung der Jungfrauengeburt durch Maria sei nicht faktisch, sondern „nur“ symbolisch zu verstehen. Zweitausend Jahre zuvor hatte in ähnlicher Weise der Denker Philon von Alexandria sich eine Zeugung von Menschen durch Engel vorgestellt, die er aber nicht sexuell, sondern allegorisch verstanden wissen wollte. Er sah den Körper als ein Gefängnis der Seele an, und nur wenn durch eine konsequente Entkörperlichung die Seele sich in einen rein geistigen Bereich transzendiere, könne sie sich befreien und zu einer Gottesschau gelangen. In diesem Kontext propagierte Philon von Alexandria eine parabelhafte Gleichsetzung der Seele, die sich von allen irdischen Begierden losgelöst hat, mit einer „reinen” Jungfrau. Darunter verstand der Philosoph aber nicht nur eine junge Frau, die (noch) keinen Geschlechtsverkehr mit einem Mann hat(te), sondern vor allem eine nicht vom Blut befleckte Frau, d.h. eine junge Frau vor oder nach der Regelblutung.
Vor diesem theologiegeschichtlichen Hintergrund sind Klefischs eigenwillige Deutungen der Metaphern mit „Fleisch“ und „Blut“ konträr zur offiziellen Kirchenlehre zu verstehen. Von Pieter Brueghel über Rembrandt bis zum Expressionisten Chaim Soutine kennen wir in der Malerei den Topos der frisch geschlachteten Schweine- oder Rinderhälfte, die man zum Ausbluten ans Scheunentor gehangen hat. Bei Thomas Klefisch mündet dieses Zitat aus der Kunstgeschichte in eine Doppeldeutigkeit des Begriffs „Fleisch“.
Im biblischen Sinne meint „Fleisch“ den gesamtem Bereich des Irdischen und Leiblichen, es ist die Sphäre des Menschlichen schlechthin. Ist in der Bibel von „allem Fleisch“ die Rede, dann ist damit die gesamte Menschheit gemeint. Vereinigen sich Mann und Frau, dann werden sie in der biblischen Umschreibung „ein Fleisch“. Wenn Thomas Klefisch einen Drachen auf die „Santa Maria“ stürzen lässt, also auf das Schiff des Christoph Columbus, das mit aufgeblähten Segeln durch ein Meer aus Blut gleitet („Blood“), dann arbeitet er hier mit einer sehr alten und sehr komplexen Symbolik. Sie leitet sich aus dem alt-testamentarischen Blut-Tabu ab, das – wie eben beschrieben – bei Philon von Alexandria die Basis seiner Definition von „reiner“ Jungfräulichkeit bildet. Blut ist ein Synonym für das irdische stoffliche Leben. Im alt-testamentarischen Tieropfer wurde nicht nur die Hingabe seines Fleisches, sondern vor allem seines Blutes zelebriert.
Die frühkulturellen magischen Gesellschaften kannten das Fleisch- und Blutopfer als „Abwehrzauber“, die späteren monotheistischen religiösen Gesellschaften praktizieren hingegen stattdessen ein Fastenopfer mit einem Verzicht auf Fleischverzehr; zu einer weitergehenden Askese gehört aber auch noch die sexuelle Enthaltsamkeit, also eine Entsagung der „fleischlichen Lüste“.
Was eine besondere religiöse Bedeutung hat („Blut ist Versöhnung“), das wird aus dem profanen Alltag verbannt und Teil des sakralen, religiösen Geschehens. Deswegen bekommt Moses von Gott das Tabu auferlegt: „Keine Seele unter euch soll Blut essen…” Als Wesen „von Fleisch und Blut“ steht der Mensch in seinem Selbstverständnis zwischen einer Sphäre des Untergründig-Animalischen (und Gewalttätigen) und einer Sphäre des Ätherisch-Göttlichen, der er sich als ein Geistwesen transzendental anzunähern versucht, wie dies in fast allen Religionen praktiziert wird, die ihren Anhängern eine Ideologie des Verzichts nahelegen. Das Fleisch ist diesseitig und vergänglich, und alle Religionen versuchen Antworten zu bieten mit Vorstellungen vom Jenseits und von der Ewigkeit, und der Weg dorthin führt nur über Läuterung und Loslösung.
Also müsse der Mensch danach trachten, das Animalische „in sich“ zu überwinden. Sigmund Freud beschreibt dies als Triebmodellierung. In Freuds Kulturtheorie wird Sublimierung als eine Umformung aggressiver bzw. libidinöser Triebimpulse in geistige Tätigkeiten beschrieben. Im profanen Sinne wird dabei die wilde, unkontrollierte, triebhafte Natur mit all ihrem animalischen, gewalttätigen und zerstörerischen Potenzial in eine gebändigte, zivilisierte Kultur überführt. Im religiös-spirituellen Sinne ist eine solche Sublimierung als Absage an die Sünden die Voraussetzung für jegliche Heilserfahrung.
Doch dem stehen im realen Leben allerlei Versuchungen entgegen, und als bildnerisches Thema hat die Künstler von Mathis Grünewald bis Salvador Dali und Max Ernst immer wieder die „Versuchung des Antonius” gereizt, als künstlerische Fortsetzung jener Drolerien, denen bereits Hieronymus Bosch mit seinen Darstellungen von Dämonen und amorphen Wesen breiten Raum gegeben hat. Innerhalb einer solchen kunsthistorischen Traditionslinie tauchen alsdann in der babylonischen Bildwelt des Thomas Klefisch zwangsläufig weniger die guten Hirten auf, die sich mildtätig um die armen Seelen sorgen, sondern stattdessen ein gehörnter Engel und eine Frau, die an ihren Brüsten saugt und als altbekanntes Symbol für die Begierde eine Schlange, die sich herausfordernd durchs Bild windet („Home is where the heart is“).
Bilder über das Leiden der Märtyrer mit einer ziemlich anschaulichen Wiedergabe von Folterungen und Geißelungen hatten früher die pädagogische Funktion einer deutlichen Ermahnung des Publikums, so werde es ihm auch ergehen, wenn es kein gottgefälliges Leben führe. Bei Hieronymus Bosch z.B. paart sich eine esoterische Symbolik mit einer moralisierenden Schilderung menschlicher Schwächen und Torheiten.
Auf einem abgesägten Baumstamm thront eine gefräßige grüne Heuschrecke („Pieta“), wie sie schon bei den alten Hebräern als Symbol für eine Geißel Gottes galt, als Zeichen für allerlei Plagen und Heimsuchungen. In der Traumsymbolik wird die Heuschrecke als Zeichen für weibliche Sexualität gedeutet. In Klefischs Gemälden taucht aber vor allem immer wieder die weibliche Brust als Zeichen erotischen Reizes auf.
Die apokalyptischen Visionen, die sich in der Offenbarung des Johannes finden, haben ihre Wurzeln u.a. im Schöpfungsmythos des antiken Babylon. In den diversen Umdeutungen der biblischen Überlieferungen erscheint Babylon schließlich als ein Ort des Unglaubens und der amoralischen weltlichen Begierden, also der fleischlichen Sünden und der kulturellen Dekadenz: Diese verworfene babylonische Stadt stilisiert das Neue Testament zu einem höchst gottesfeindlichen profanen Machtzentrum; und dies als Kontrast zum himmlischen Jerusalem, der Stadt Gottes.
Unter dem Stichwort „Babylon“ versammelt Thomas Klefisch ein Panoptikum des albtraumhaften Schreckens und der unverhohlenen Lüsternheit, mit Szenarien des Bizarren und des Abgründigen. Da wetzt eine barbusige Matrone das Messer, und da ist ein Kind auf seinem Thron in Form einer goldenen Weltkugel von prallen mütterlich-nährenden Brüsten eingerahmt. Zugleich reitet eine kopflose nackte Frau mit üppigem Körperbau auf einem Fisch mit gefährlich gefletschten Reißzähnen. Ein Schriftzug „Nude“ (Nackt) prangt in großen Lettern über diesem Szenario, an die grellen nächtlichen Leuchtreklamen an jenen zwielichtigen Orten gemahnend, die höchst diesseitige babylonische Freuden verheißen.
Der Reggae-Musiker Bob Marley veröffentlichte auf seiner LP „Survival“ den Song „Babylon System. In der Rastafari-Religion, die ihre Anhänger auf Jamaika unter den Nachfahren der einstigen afrikanischen Sklaven hat, gilt die Vokabel „Babylon System“ als Synonym für eine „westliche“ Gesellschaft, die auf Unterdrückung und Rassismus basiert. Der Reformator Martin Luther indessen sah seinerzeit das päpstliche Rom als die „Hure Babylon“ an.
Die ersten Bilder dieses Zyklus „Babylon“ (2006-2010) verraten noch, dass Klefischs künstlerische Wurzeln in der Illustration liegen. Die Formensprache ist hier nämlich noch sehr stark grafisch pointiert, bisweilen erinnert sie an den Pop Art-Comic-Stil der Motive auf den früheren Flipper-Automaten (Pinball). Mehr und mehr nimmt Klefischs Stil in den später entstandenen Bildern schließlich jedoch malerische Züge an, d.h. das Bildgerüst entsteht nunmehr primär aus der Farbe heraus und nicht nur aus der kompositorischen Aufteilung von (Umriss)-Zeichnungen. Am deutlichsten belegt dies u.a. die malerische Behandlung des stürzenden Drachen.
Spürbar ist generell im „Babylon“-Zyklus ein starkes figürliches und stoffliches Interesse an der plastischen Anatomie, auch an der Wiedergabe von Haut und von Verwundungen, und wie bereits erwähnt an völlig eindeutigen erotischen Anspielungen. „Papa loves you“ zeigt ein dunkelhäutiges Püppchen in orangefarbenem Strickkleid mit einem Selbstporträt des Künstlers als Kardinal, ein Zitat von Velasquez. Teller, aus denen Blumen wachsen, muten surrealistisch an.
Diese Elemente verdichten sich dramaturgisch zu einer collagehaft ausgebreiteten Bilderzählung – ja, Thomas Klefisch erzählt Geschichten, und dies zunächst aus einer panoramahaft-breit angelegten Perspektive. Doch dann werden in den nachfolgend gemalten Bildern die Teller mit den Blumen größer: der Maler führt den Betrachter jetzt näher an das Geschehen heran; er zeigt ihm vergrößerte Details wie beim Blick durch die Lupe. Mit seiner inhaltlichen Umkehrung der Heilsgeschichte als einer Schilderung des diesseitigen babylonischen Unheils und Schreckens emanzipiert sich Klefisch von den Dogmen der papistischen Autorität. Dabei folgt er nur seiner eigenen Phantasie; Polemik und Provokation gehören indes weniger zu seinen Absichten, als der Betrachter annehmen mag. Thomas Klefisch klärt vieles für sich, und ob diese Bilder darüber hinaus auch aufklärerisch in einem generellen Sinne sind, spielt dabei erst einmal keine Rolle. Auf jeden Fall wird aber erneut die Frage aufgeworfen, ob die Religion „Opium fürs Volk“ sei.

pietá
200 x 250cm, Acryl auf Leinwand
Pietá
Von Katja Heckes
„Der Leichnam ist überaus edel gelegt und bildet mit Gestalt und Bewegung der völlig bekleideten Madonna das wunderbarste Ganze. Die Formen sind anatomisch noch nicht ganz durchgebildet, die Köpfe aber von reiner Schönheit, …“
Jacob Burckhardt (1818-1897) zur Pietà Michelangelos (1498-1499)
Ein rosig strahlender Körper mit erigiertem Penis in der Bildmitte liegt völlig entspannt in den metallen Greifern eines geschlechtslosen Roboters und strahlt aus sich selbst heraus. Um ihn herum verschiedenste, seltsame Attribute: Kakteen, eine Gottesanbeterin, Baumstümpfe, eine blühende und welkende Kletterrose. Außerdem ein schmales kippendes rosafarbenes Kreuz, das den Roboter aus seiner Statik hebt und ins Wanken bringt. Im oberen Bildteil ein schwarzer Kreis mit einer gekreuzigten, drangsalierten Nackten und hinein schabloniert das Wort pietà.
Wäre da nicht das hingebungsvolle Loslassen des trotz seiner Erregtheit in seiner Waagerechten Ruhe stiftenden nackten männlichen Körpers, würde sich kein bildhafter Abgleich zur einzigartigen Pietá Michelangelos einstellen. So jedoch schreiten wir in erwartbarer Zuordnung, die gespiegelte Komposition ab, stoßen auf Abwegiges, Provozierendes und mit unserem abendländischen Vorwissen Unvereinbares. Die Figurenkonstellation bietet hier vielmehr Gegensätzliches als ein Ganzes: Der Leib erscheint mehr lebendig, als fahl und tot; die Figuren nicht als Paar, wie in der berühmten Pietá, sondern als unzusammengehöriges, komisches Doppel. Was fangen wir damit an? Statt einer leidvollen, mitreißenden Maria, eine hölzerne Roboterfigur, die den Mund einem Nussknacker gleich erstaunt öffnet, die die nackte Figur mehr an uns übergibt, anstatt sie zu halten. Dazu die grellen Farben, die aufdringlich das Ganze noch penetrieren und die Frechheit der Darstellung noch unterstreichen. Keine humane reine Schönheit sondern dreiste, gefühlskalte Zurschaustellung. auf den Gipfel getrieben durch die prallbusige Nackte am Kreuz, die durch ihre schwarze Umrahmung eine formale Verbindung mit der Sonnenanbeterin eingeht. Spätestens jetzt sind wir zusammen mit den Bildern von stacheligen Pflanzen, der Kletterrose und den Kakteen in einer utopischen (Alb-)Traumwelt gelandet, die in ihrer ironischen Aufgeladenheit an Max Ernsts surreale Welten erinnern mag, die stets gespickt sind mit collagierten, erotischen Einfällen. Jedoch geht es hier bitterer, zynischer zu. Die Naivität der Roboterfigur und die auf den ersten Blick fröhliche Farbigkeit weicht schnell einem unguten Gefühl. Ist dies vielleicht das Bild dessen, was von der Pietá, ital. für „Erbarmen“ und „Mitleid“, heute noch übrig ist? Oder ist es die Pietá der Ungläubigen, der Zukunft einiger – oder doch aller? Vergessen wir bloß nicht den Humor, der in der Wucht der malerischen Direktheit im Ensemble aller übrigen Bildwerke zum Vorschein kommt. Und suchen wir weiter nach mittelbaren und unmittelbaren Spuren, die uns in diese fremde Bildwelten einführen.

Home is where the heart is
200 x 250cm, Acryl auf Leinwand

Nude
200 x 250cm, Acryl auf Leinwand

to skin
200 x 250cm, Acryl auf Leinwand

freedom
200 x 250cm, Acryl auf Leinwand

suck
200 x 250cm, Acryl auf Leinwand

Papa loves you
200 x250cm, Acryl auf Leinwand

liar
200 x250cm, Acryl auf Leinwand
